Leitung des Theaters der Kantonsschule Wettingen seit 2019

 

Wo können Wir&Co. besser langfristig ihre partizipativen Ansätze weiter entwickeln als mit dem zukünftigen Theaterpublikum? Eva Welter und Anna Papst übernehmen ab 2019 die Leitung des Theaters der Kantonsschule Wettingen.

Die KSWE ist ein Ort, an dem der musische Bereich einen hohen Stellenwert hat. So treffen wir auf eine interessierte und unterstützende Schulleitung, ein Kollegium, mit dem sich direkt Zusammenarbeiten ergeben und motivierten Schüler:innen, die sich für das Freifach Theater entschieden haben.

Nachdem Anna Papst und Eva Welter von 2019-2022 gemeinsam das Freifach geleitet und drei Projekte durchgeführt haben, gibt Anna Papst ihre Position ab August 2022 an Anouk Gyssler weiter, um den Flügel der freien Projekte von Wir&Co. zu leiten.

Wir&Co. erarbeitet im Team den Lehrplan für das neue Pflichtfach Auftrittskompetenz und Theater, das im 2. und 3. Schuljahr der Fachmittelschule mit Vertiefung Kommunikation stattfindet. Seit dem Beginn dieses Faches im Sommer 2023 sind Eva Welter und Anouk Gyssler für dessen Leitung in der KSWE zuständig.

Anna Papst & Eva Welter sind sich gegenseitig erste Ansprechpartnerinnen für die Projekte, die sie unter dem gemeinsamen Label Wir&Co. mit weiteren Beteiligten durchführen. Zur Zeit forschen sie an einem Format zur Vermittlung prozesshafter Co-Kreation.

Was ihr wollt 2020

Das hätten wir alle nicht so gewollt! In diesem Jahr konnten wir die Arbeit im Theater nicht mit Aufführungen im März abschliessen. Fünf Tage vor der Premiere hat uns der erste Lockdown einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Trotzdem durften wir viele gute Momente miteinander erleben. Wir konnten Zusammenarbeiten mit Kolleg:innen in der Schule beginnen, die wir in einem nächsten Projekt unbedingt weiterführen möchten. Und wir konnten hoffentlich bei unseren Spieler:innen die Freude am Theater spielen wecken, so dass sie in einem anderen Kontext wieder einmal zum Tragen kommen kann.

In uns selbst klingen viele geprobte Szenen nach, die wir gerne einem grossen Publikum gezeigt hätten: Wie Cesario zur Melodie von „Marmor, Stein und Eisen bricht“ mit Shakespeares Worten um Olivia wirbt; wie die ganze Hofgesellschaft zu Rihannas „Diamonds“ tanzt; wie Viola ihrem Kumpel Jackett und Hose abluchst und kurzerhand als Mann zur Party geht; wie der treue Antonio für Sebastian sein Leben riskiert und von vier Bodyguards aus dem Festsaal geschleift wird…

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Ein (sehr) langes Grillfest 2021

Die Theatergruppe der KSWE hat bei schönstem Wetter im Park der Klosterhalbinsel gespielt.
Thornton Wilder (1897-1975) hat 1928 das Stück Ein langes Weihnachtsmal geschrieben, das wir kurzerhand im Sommer verortet und umgetauft haben.

In Ein langes Weihnachtsmal erleben wir eine Familie beim Weihnachtsessen über eine Zeitspanne von neunzig Jahren. Um ihre immergleichen Rituale herum nimmt die Welt ihren Lauf und immer neue Auseinandersetzungen werden auch in die Familie hineingetragen.
Bei uns sah das so aus: Jeden Sommer feiert die Grossfamilie Wälti ein Grillfest, an dem sich von der Grossmutter über den Cousin bis zum Enkelbaby alle treffen. Jedes Jahr wird getanzt, gelacht, gestritten und natürlich gegrillt. Familienmitglieder werden geboren, heiraten, wandern aus, sterben – kurz: Das Leben nimmt seinen Lauf. Basierend auf Thornton Wilders „Ein langes Weihnachtsmahl“ spielen sich die Schüler*innen des Freifachs Theater spielen durch einen Rausch der Zeit von den 60er Jahren bis ins Heute.

Umsetzung

Erneut durch die Coronamassnahmen bedingt, haben sich unsere Aufführungen immer weiter nach hinten und schliesslich in die letzte Woche vor den Sommerferien verschoben. Dadurch hat sich uns die einmalige Möglichkeit eröffnet, den wunderschönen Klosterpark zu bespielen. Für unseren Grillabend haben die Schüler*innen unserer Theatergruppe den von uns gekürzten Text selbstständig in ihren Dialekt übersetzt, eigene Begriffe für Wilders Sprache gefunden und Themen ihres Interessens eingebracht.
Mit verschiedenen Mittel, wie eine sich entsprechend der jeweiligen Zeit entwickelnde Tanzchoreografie, Gesang und im Park integrierte visuelle Zeichen, haben wir dem Stoff neues Leben eingehaucht.

Bei der Choreografie hat uns Julia Nauer tatkräftig unterstützt.

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Hexenjagd 2022

Der Autor und das Stück

Arthur Miller (1915-2005), blickt in seinen Stücken kritisch auf die Gesellschaft und den „american way of of life“. Als Sohn eines jüdischen Einwanderers in New York geboren, erlebte er den finanziellen Ruin seines Vaters in der grossen Wirtschaftskrise der 30er Jahre mit. Später war er Opfer der rigorosen Überwachung vermeintlicher Kommunisten während der McCarthy-Ära. Beide Erlebnisse flossen in seine Stücke ein, ersteres in „Tod eines Handlungsreisenden“, letzeres in „Hexenjagd“.

Inhalt
Abby und ihre Clique haben sich zu einem heimlichen Treffen davongeschlichen und sind
dabei erwischt worden. Seither können mehrere junge Frauen der Clique nicht mehr
sprechen und liegen regungslos im Bett. Abbys Tante Parris, die Pfarrerin des verschlafenen
Dorfes vermutet, dass Hexerei im Spiel ist und schon bald stehen alle Einwohner*innen unter Verdacht. Die gegenseitige Beschuldigung beginnt und die Gefängnisse werden immer voller. Oder wie es im Prolog heisst: „Die Hexenjagd war jedoch nicht nur reine Unterdrückung, sondern sie war auch, und das ist genauso wichtig, eine längst fällige Gelegenheit für jeden, der die Neigung dazu verspürte, seine Verfehlungen und Sünden öffentlich zu bekennen. Man konnte seinen Nachbarn der Hexerei bezichtigen und sich noch obendrein im Recht fühlen. Verdächtigungen und der Neid der Glücklosen auf die Glücklichen konnten in einer allgemeinen Rache münden. Was dann auch geschah.“

Unsere Umsetzung
Anfangs Schuljahr haben wir mit der Theatergruppe mehrere Stoffe unterschiedlicher Epochen und Themenfelder angeschaut und jeweils kurze Sequenzen szenisch umgesetzt. Die Schüler:innen haben sich für Hexenjagd entschieden, weil sie das Thema Massenhysterie und die Frage, was echt ist und was gespielt am meisten gereizt hat.
Wir haben Millers Stück sehr gekürzt, alles USA-spezifische ersetzt und den Fokus auf die wichtigsten Figuren und die Dynamik unter den Jugendlichen gelegt. Zentrale Figuren wurden bei uns von mehreren Spielernnen gespielt.
Wir haben die Elemente Gesang und Tanz in die Inszenierung integriert. Die Spieler:innen konnten auswählen, wo sie sich neben dem Spielen noch engagieren möchten. Unterstützt wurden wir von Renato Botti, der mit der Gesangsgruppe geübt hat. Die zeitgenössischen tänzerischen Elemente hat die Teilnehmerin Michelle Ploner, die selber viel Tanz- und auch Leitungserfahrung mitbringt, mit der Tanzgruppe eingeübt. Daneben engagierten sich die SchülerInnen beim Aufbau des Bühnenbilds, bei der Änderung der Kostüme, bei der Gestaltung des Flyers und bei der Führung der Bar während der Vorstellungen.

Entstanden ist ein vielseitiger Abend, der auch zum Nachdenken angeregt hat. Belohnt wurden wir von immer ausverkauftem Saal und ausgiebigem Applaus.

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Landing on an unknown planet 2023

Fünfmal ausverkaufte Westschöpfe – das Freifach Theater der KSWE hat dieses Jahr einen dystopischen Stoff der jungen deutschen Autorin Sina Ahlers inszeniert.

«
– Wir sind zu spät.
– Ist der Bus schon weg?
– Für die Luft. Den Boden. Die Arten.
– Einfach ein kleines bisschen zu spät dran.
– Das bisschen lässt sich doch rückgängig machen!
– Nein, es ist wie Kinder kriegen. »

Zum Stoff
Eine Gruppe Jugendlicher trifft sich auf dem Schulhof. Sie sind sich einig: So kann es nicht weitergehen, die Erde ist am Ende. Was nun? Sie quetschen sich in eine Rakete und fliegen los. Vor lauter Party kurz nicht aufgepasst – und schon müssen sie auf einem fremden Planeten notlanden. Was ist das für ein Ort? Die Jugendlichen stolpern durch ein lebensfeindliches Moor. Sie finden seltsame Fundstücke einer vergangenen Zivilisation. Plötzlich vernehmen sie bekannte Geräusche: War das ein Kuckuck?
Mit «Landing on an unknown Planet» hat Sina Ahlers (*1990) ein zeitgenössisches Stück für ca. 2-20 Darsteller*innen geschrieben. Das Stück lässt den Schüler:innen viel Raum, um ihre eigenen Haltungen zu brandaktuellen Themen wie Umweltzerstörung, Fluchtgedanken und Interesse an Unbekanntem einzubringen.

Zur Inszenierung und zur Gruppe
Anfangs Schuljahr sind sagenhafte 43 Teilnehmer:innen ins Freifach Theater gestartet – 26 von ihnen durften wir ins äusserst zeitintensive Theaterprojekt mitnehmen. Die künstlerische Leitung von Eva Welter und Anouk Gyssler sind auf der Suche beim Stück von Ahlers hängengeblieben, weil es uns mit seinen assoziativen Textflächen einen ausgezeichneten Spielraum bot, um mit einer derart grossen Gruppe eigene Bilder zu entwickeln. So haben wir mit den Schüler:innen die Elemente Bühnenbild, Gesang und Tanz ebenbürtig zum Text in die Inszenierung integriert. Unterstützt wurden wir dabei von einem vielfältigen Team aus internen und externen Profis. Besonders hervorheben möchten wir die Arbeit von Renato Botti: Er hat alles Chorische, die zahlreichen Solis und die zweiköpfige Begleitband souverän navigiert. Ausserdem hat Julia Nauer mit ihrem feinen Gespür für ausdrucksstarke, zeitgenössische Choreografien massgeblich dazu beigetragen, dass die Schüler:innen auf der Bühne zu einem organischen Ensemble wachsen durften. Und das riesige Bühnenbild mit wuchernden Formen in Schwarzweiss, welches unter der Leitung von David Stamm und Roland Herzog mit dem Schwerpunktfach Bildnerisches Gestalten entstanden ist, hat die Inszenierung stark geprägt. Auch die beteiligten Schüler:innen haben sich mit viel Herzblut engagiert: Vom Make-up, der Textverteilung und -gestaltung bis zum Flyer und der Einrichtung der Bar haben sie sich dafür eingesetzt, dass ein vielseitiges Theatererlebnis entstehen durfte. Belohnt wurde die ganze Crew von grossem Zulauf und ausgiebigem Applaus.

«Es heißt immer „Die Welt geht unter“, aber das stimmt gar nicht, die Welt ist viel zu groß, um einfach kaputt zu gehen. Was tatsächlich untergeht sind die Menschen und die Tiere und die Pflanzen, aber um alles…, um die ganze Erde auszuradieren, bräuchte es etwas mega-großes, einen großen Gesteinsbrocken zum Beispiel, der würde die Erde komplett auseinanderreißen oder einen Gammablitz, der die Erde einfach verdampfen lässt. Oder?»

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Und, Käthchen? 2024

Das Theater der KSWE spielt im ThiK, Theater im Kornhaus, in Baden!

«Strahl 1, 2, 3       Ich bin angeklagt? Beim unterirdischen Höllenfuchs…
Strahl 1                 Dassi en alte Lüstling spiele, chönd ihr im Fall gad vergässe.
Strahl 3               Voll.
Strahl 2             Chom mer spiele de eifach jünger! Und dynamischer.
Strahl 1, 2, 3    Deal.»

Zum Stoff

Wenn man auf die berühmten gelben Heftchen klopft, kommt manchmal Staub heraus – oder aber ein Mix aus diffusem Weltschmerz, hochkomplexem Liebesgeflecht und lauter schlauen Fragen zum gesellschaftlichen Rollenverständnis. So ging es uns mit Heinrich von Kleists «Käthchen von Heilbronn». Dabei überliess das Ensemble, unter der Leitung von Eva Welter und Anouk Gyssler, die Stückwahl der zufälligen Hand einer Glücksfee: Lediglich ein klassischer Stoff sollte es sein, der die Schülerinnen und Schüler formal wie sprachlich herausforderte. Und so schmissen wir uns schon bald mitten in Kleists überbordende Ritterwelt, wo sich die Figuren gegenseitig auf die Kappe geben, Schlösser anzünden – und sich freundlich streiten, wer am Steuer dieser Geschichte sitzen soll: Ist es die Vernunft, regiert das Schicksal, sollten wir besser auf unsere Träume hören?

Zur Gruppe

Auf die kleine und feine Bühne im ThiK passten zehn Schülerinnen und Schüler, was die Grösse unseres Ensembles bestimmte.

Es freute uns ausserordentlich, dass sich mit Laura Grand und Alix Stoll zwei theatererfahrene Schülerinnen dezidiert mit Kleist befasst und unser Stück in unzähligen Arbeitsstunden dramaturgisch mitentwickelt haben. So entstand ein rasanter Theaterabend auf Portugiesisch, Hochdeutsch oder Slowakisch, mit mehrfach besetzten Rollen – und in lustvoller Auseinandersetzung mit Kleists komplexer und kraftvoller Sprache.

«Käthchen 3       

Welches Wetter zieht in mir herauf? Ich will weder ins Kloster, noch kann ich nach Heilbronn zurück…und schon gar nicht auf die Strahlburg – denn da sitzt schon eine! Was ist zu tun? Und wenn ich dies täte – wer würde es mir erlauben? Und wenn es mir jemand erlauben würde, würde ich denn von dieser Erlaubnis Gebrauch machen?

Sie verheddert sich in ihren Gedanken.

Caroline          

Sorry, du bisch sone Marionette.»

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